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Der Fliegen-Ragwurz ist aufgrund des außergewöhnlichen Aussehens bei der Ragwurz-Zikadenwespe äußerts beliebt. Sie wurde zur „Orchidee des Jahres 2003“ gewählt.
Vorkommen und Verbreitung: Der Fliegen-Ragwurz wächst ausschließlich über Kalkstein. Hierzu zählen unter anderem Kalkmagerrasen, Halbtrockenrasen, in lichten Kiefernwäldern, an Waldrändern und weiteren geeigneten Standorten. Eines der bekanntesten Vorkommen liegt auf dem Lohrmannsbuckel im Warmtal – einem wichtigen Naturschutzgebiet. Sie kommt in Süd- und Mitteldeutschland häufig und in Norddeutschland nur selten vor.
Pflanzenbeschreibung
Wuchsform: Es handelt sich um eine krautig wachsende, ausdauernde Pflanze. Im Boden sitzen die zwei eirunden Knollen. Es handelt sich um einen Knollengeophyt, welcher diese als Überdauerungsorgan verwendet. Die Pflanze bildet eine bodenständige Grundblattrosette aus. In der Mitte treibt der 15 bis 50 cm hohe Stängel aus. Am Ende der Stängel bilden sich die Blütenstände. Der Stängel ist grünlich-gelb gefärbt und sehr schlank.
Blätter: Pro Pflanze entstehen vier Blätter – mit einer Länge von drei bis fünf Zentimetern. Die Enden der Blätter sind leicht zugespitzt. Sie sind eiförmig-lanzettlich aufgebaut und ungefleckt. Die Oberseite ist hellgrün gefärbt. Der Blütentrieb wird im oberen Teil von zwei weiteren länglichen Blättern eingehüllt. So soll der junge Blütentrieb geschützt werden. Die Blätter bilden sich bereits im Oktober des Vorjahres. Sie wachsen auch über den Winter.
Blüten: Der Blütenstand des Fliegen-Ragwurz ist zwischen 5 bis 10 cm lang und locker mit Blüten besetzt. Der aufblühende Blütenstand ist langgestreckt und hellgrün gefärbt. Pro Pflanze können sich bis zu 18 Blüten bilden. Die einzelnen Blüten sitzen in den Achseln langer, häutiger Tragblätter – diese werden nach oben kürzer. Die Außenseite und Innenseite der Oberlippe sind hellgrün gefärbt. Die Unterlippe besitzt eine braune Färbung. Die Staubbeutel sind kräftig rot gefärbt. Die Blütezeit reicht von Ende April bis Ende Mai. Seltener auch bis Ende Juni.
Details zu den Blüten
Detailbeschreibung der Blütenblätter: Die „Blüte“ besteht aus 8 mm langen gelbgrünen Sepalen und bis zu 5 mm langen braunen Petalen. Diese bestehen nur aus dünnen Stielen. Die Unterlippe ist tief drei-lappig eingesägt. Sie kann eine Länge von bis zu 12 mm erreichen. Die Spitze der Unterlippe ist an der Spitze zweigeteilt. Die Grundfarbe ist dunkelbraun. Hierauf bildet sich eine samtige Behaarung. Die Spitzen der Mittellappen besitzen oft eine hellere, rötlich-braune Färbung. Sie sind unbehaart. In der Mitte der Unterlippe befindet sich ein bläulich-grau gefärbtes unbehaartes Mal. Die Pflanze besitzt keinen Sporn. Eine Besonderheit bei den Ragwurzen ist, dass meist die ersten Blüten bereits verblüht wenn sich die letzten Blüten öffnen.
Besonderheiten bei der Bestäubung
Besonderheiten bei der Bestäubung: Der Fliegen-Ragwurz wird von den männlichen Grabwespen der Arten Ragwurz-Zikadenwespe (Argogorytes mystaceus) bestäubt. Den Männchen werden beim Versuch der Blüte eine Kopulation durchzuführen ein klebriges Pollenpaket angeheftet. Bei diesem handelt es sich um die Pollinien, welche durch bestimmte Orchideenarten gebildet werden.
Diese spezielle Bestäubung erfolgt aufgrund der durch die Blüte gebildeten Pheromone. Diese täuschen ein paarungsbereites Weibchen vor. Hierbei hilft auch die Form der Blüten, da diese für die Männchen wie ein sitzendes Insekt aussehen. Es handelt sich bei dieser Bestäubungsmethode um ein charakteristisches Merkmal der Gattung Ophrys. Sie ist eine typische Insekten-Täuschblume.
Besonderheiten der Früchte
Früchte: Nur selten bilden sich aus den verwelkten Blüten Samenstände. Die Früchte sind bis zu 18 mm lang und bis zu 6 mm dick. Sie reifen ab August heran. In den Samenkapseln bilden sich die einzelnen Samen. Der Fruchtansatz ist mit bis zu 5% extrem niedrig für die Orchidee. Eine Vermehrung erfolgt nur selten über die Samen. Die Samen sind bei der Keimung auf bestimmte Bodenpilze angewiesen. Dabei gehen die Samen eine Symbiose mit Mykorrhiza-Pilzen ein.
Namensherkunft
Namensherkunft: Der botanische Gattungsname Ophrys leitet sich von dem griechischen Wort „ὀφρύς / ophrys“ ab. Dies lässt sich ins Deutsche mit „die Braue“ oder „die Augenbraue“ übersetzen. Im lateinischen wird es ähnlich verwendet. Die erstmalige Erwähnung des Wortes erfolgte im Werk „Naturalis historia“ von Plinius dem Ältern. Die Bezeichnung leitet sich von der gebogenen Form der Kelchblätter ab. Der botanische Artname „insectifera“ leitet sich aus dem lateinischen Wort „insectiferus“ ab und bedeutet ins Deutsche übersetzt so viel wie „insektentragend“. – Quelle: Taschenwörterbuch für Botaniker und alle Freunde der Botanik
Gefährdung der Pflanze
Schutzstatus der Pflanze: Das Sammeln der Pflanze ist in der freien Natur verboten! Sie stehen unter besonderem Schutz durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES). Nach dieser gilt die Pflanze auch als streng geschützte Art. Der Fliegen-Ragwurz darf somit auf keinen Fall gepflückt oder ausgegraben werden!
Gefährdung der Pflanze: Der Fliegen-Ragwurz wird derzeit auf der Roten Liste Deutschlands als gefährdet eingestuft. Dies ist vor allem auf drei verschiedene Faktoren zurückzuführen. Zum einen sind die Knollen der Orchidee ein beliebtes Futter bei Wildschweinen. Hierdurch zerstören diese große Flächen der potentiellen Standorte der Orchidee. Ein weiteres Problem ist die Überwucherung durch andere Pflanzen und die zunehmende Verbuschung von Biotopen. Zudem fehlt es an den Standorten oft an einer Beweidung oder Mahd. Hierdurch wird die Orchidee von anderen Pflanzen und Gräsern verdrängt. Aufgrund des Rückgangs an Individuen wurde sie bereits 2003 zur Orchidee des Jahres erklärt. Die einzelnen Gefährdungsgrade in den Bundesländern sind wie folgt:
- Deutschland: gefährdet (Status: 3)
- Baden-Württemberg: gefährdet (Status: 3)
- Bayern: gefährdet (Status: 3)
- Brandenburg: Ausgestorben (Status: 0)
- Hessen: Vorwarnstufe (Status: V)
- Niedersachsen: gefährdet (Status: 3)
- Nordrhein-Westfalen: gefährdet (Status: 3)
- Rheinland-Pfalz: gefährdet (Status: 3)
- Saarland: stark gefährdet (Status: 2)
- Sachsen-Anhalt: gefährdet (Status: 3)
- Sachsen: vom Aussterben bedroht (Status: 1)
- Thüringen: ungefährdet (Status: *)
Verbreitungs-Codes: A, AV, M1, M2