Schwarzes Bilsenkraut

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Schwarzes Bilsenkraut zählt zu den gefährlichsten Nachtschattengewächsen unserer heimischen Flora. Im Mittelalter war das Kraut ein beliebter Teil der “Hexensalbe“. Die Salben bestehen aus einer Vielzahl von verschiedenen, teilweise halluzinogenen Pflanzensäften.

Vorkommen und Verbreitung: Schwarzes Bilsenkraut wächst auf Wiesen, an Wegen und Mauern sowie auf Schuttplätzen und Ruderalflächen. Sie benötigt dabei einen sehr stickstoffhaltigen Böden. Sie ist nur in seltenen Fällen wild zu finden. Die Pflanze ist in ganz Europa verbreitet.

Pflanzenbeschreibung

Wuchsform: Das schwarze Bilsenkraut wächst aufrecht und kann eine Wuchshöhe zwischen 40 bis zu 80 cm erreichen (seltener auch bis zu einem Meter!). Unter der Erde bildet sich eine rübenförmige Wurzel aus. Der Stängel ist mit klebrigen, zottigen Haaren besetzt. Oft ist er nur einfach aufgebaut, seltener auch im oberen Teil leicht verzweigt. Die gesamte Pflanze verströmt einen unangenehmen Geruch. Sie gilt als ein- bis zweijährige Pflanze und ist somit nur teilweise überwinternd.

Blätter: Die grundständigen Blätter besitzen einen länglichen Stiel wohingegen die Stängelblätter dicht an den Stängeln sitzen. Die Oberseite der Blätter ist graugrün bis dunkelgrün gefärbt. Die Ränder der Blätter sind wellig gebuchtet und besitzen einen abstehenden “Zahn“ pro Blatthälfte. Die Blattränder sind ebenfalls mit kurzen Haaren besetzt. Beim Berühren sind die Blätter klebrig.

Blüten: Die Blüten sitzen in einem ausschließlich einseitswendigen Blütenstand. Die einzelnen Blüten bestehen aus glockenförmig zusammengewachsenen Blütenblättern. Pro Blüte bilden sich fünf Blütenblätter aus. Sie haben eine schmutzig gelbe Färbung und sind gleichzeitig mit violetten Adern durchzogen. Der Schlund der Blüte ist ebenfalls dunkelviolett bis schwarz gefärbt. Die Kelchblätter, welche den Blütenschlund umgeben sind grün gefärbt. Die Staubfäden besitzen eine weiße Färbung, die Staubbeutel haben eine schwarze Farbe. Sie erreichen eine Größe zwischen 1,5 bis 2,5 cm. Die Blütezeit reicht von Juli bis in den September.

Frucht: Schwarzes Bilsenkraut bildet nach der Blütezeit einen Fruchtstand aus. Dieser besteht aus einer eiformigen Kapsel. Sobald die Kapsel reif ist, öffnet sich ein kleiner Deckel und gibt die Samen frei. Bis zu 200 Samen können sich in der zweifächerigen Kapsel bilden. Die einzelnen Samen sehen dem Mohn ähnlich und sind bei voller Reife grau gefärbt. Auf der Oberseite der Samen sind sie mit kleinen Hügeln überzogen.

Giftigkeit der Pflanze – Hinweise zum Umgang

Hinweise zum Umgang: Der Kontakt mit den Säften der Pflanze sollte auf jeden Fall gemieden werden. Es handelt sich hierbei um giftige Pflanzenteile. Für die Entfernung der Pflanze sollten auf jeden Fall Handschuhe getragen werden. Wenn Kinder oder Haustiere im Haushalt leben sollte von der Anpflanzung abgesehen werden.

Giftigkeit der Pflanze: Alle Teile des schwarzen Bilsenkraut sind hoch giftig! Vor allem die Wurzeln gehören zu den giftigsten Pflanzenteilen. Zu einer Vergiftung mit der Pflanze kommt es wissentlich nur selten. Häufig wird sie dabei mit weiteren Gartenpflanzen wie der Schwarzwurzel vor der Blüte verwechselt. Von der Herstellung von sogenannten “Hexensalben“ und anderen Präparaten aus jeglichen Pflanzenteilen muss dringend abgeraten werden! Schwarzes Bilsenkraut kann zum Tod führen!

Vergiftung mit dem Bilsenkraut

Wirkung der Pflanze: Durch die Inhaltstoffe kommt es zu einer parasympatholytischen Wirkung auf das periphere Nervensystem (alle Nerven außerhalb des zentralen Nervensystems). Bei Einnahme von größeren Mengen an Pflanzenmaterial kann es zu einer erregenden und ggf. auch lähmenden Wirkung auf das Zentralnervensystem kommen. Es kommt durch das Atropin zu einer Rezeptorblockade durch die Verdrängung des Acetylcholins. Zu den häufigen Symptomen gehören unter anderem warme, gerötete Haut, Mundtrockenheit und Halluzinationen. Es kommt zudem zu erweiterten Pupillen, einem beschleunigtem Puls und auch Herzrhythmusstörungen. Zu den weiteren Symptomen zählen motorische Unruhe, delirante Zustände, Tobsucht, Somnolenz und Krampfanfälle.

Inhaltsstoffe: L-Hyoscyamin, Scopolamin, Atropin (D,L-Hyoscyamin) – Oberirdische Teile: 0,13%, Samen: 0,05% bis 0,3%, Wurzeln: 0,08%

LD Pferd: Eine nachgewiesene tödliche Dosis für Pferde liegt bei 180 bis 360 g frisches oder getrocknetes Pflanzenmaterial pro Tier. Es sollte daher immer darauf geachtet werden, dass die Pflanze nicht in der Nähe zu Pferdekoppeln wächst! Eine LD50 für Menschen ist in der Literatur nicht zu finden, sie wird aber aufgrund des durchschnittlich geringeren Körpergewichts deutlich darunter liegen. Minimale toxische Dosis: 5 mg Alkaloide!

Erste-Hilfe bei einer Vergiftung: Bei einer Vergiftung muss sofort ein Krankenhaus aufgesucht werden! Es kann durch die Gabe von medizinischer Kohle eine erste Hilfe geleistet werden. Eine Giftentfernung sollte aber auf keinen Fall durch keinen Laien erfolgen!

Behandlung einer Vergiftung: Eine primäre Giftentfernung sollte durch Kohlegabe erwirkt werden. Die weiteren Symptome können durch symptomatische Therapiemöglichkeiten unterdrückt werden. Gegebenenfalls ist eine intensivmedizinische Überwachung notwendig.

Frühere Verwendung der Pflanze

Medizinische / Frühere Verwendung der Pflanze: Das Bilsenkraut wurde früher in Form von getrockneten Blättern als medizinische Droge gegen Rheuma und Nervenschmerzen verwendet. In den Balkanländern sowie in Russland werden zum Teil die Pollen eingesetzt. Sie soll auch in der volkstümlichen Medizin gegen Asthma, Koliken und als Narkosemittel eingesetzt worden sein. Wegen den teilweise starken Nebenwirkungen bei der Anwendung wie Erregung und Erschöpfung mit teilweiser Bewusstlosigkeit und Atemlähmung wird das Kraut heutzutage nicht mehr angewendet. 

Im Mittelalter galt die Pflanze als wichtiger Bestandteil der sogenannten „Hexensalben“. Diese Salben bestehen aus einer Vielzahl von verschiedenen, teilweise halluzinogenen Pflanzensäften. Bereits in den antiken Erzählungen des Lucius Apuleius (um 125 – 180 n. Chr.) – „Goldener Esel“ – lassen sich Nachweise zu den berühmten Hexensalben finden. Diese sollen den Hexen zum Fliegen verholfen haben. Auch in anderen Quellen sind „Erzählungen“ zu finden. Wissenschaftlich gesehen führten die hergestellten Salben beim Auftragen auf die Haut zu Halluzinationen und „Flugerlebnissen“. Ein Nachweis ob dies tatsächlich möglich ist, ist nicht gesichert belegt. Von der eigenmächtigen Herstellung und Verwendung nach den alten „Rezepten“ muss dringend aufgrund der Giftigkeit einzelner Bestandteile abgeraten werden.

Auch Bierbrauer haben im Mittelalter ihrem Bier eine „berauschendere Wirkung“ zusagt, wenn sie dies mit Bilsenkraut gewürzt haben. Die Verwendung der Pflanze wurde aber schnell aufgrund der starken Nebenwirkungen verboten!

Volkstümliche Namen

Das schwarze Bilsenkraut ist unter verschiedenen volkstümlichen Namen bekannt. Diese sind unter anderem „Tollkraut, Zigeunerkraut, Schweinekraut, Dolldill, Teufelswurz, Schlafkraut“. Die Blüten der Pflanze werden auch als “Teufelsaugen“ bezeichnet. Im Englischen ist die Pflanze als „Black henbane“ und als “Foetid Nightshade“ bekannt.

Erklärung der Herkunft der volkstümlichen Namen
  • Aus dem Namen Bilsenkraut haben sich einige volkstümliche, leicht abgewandelte Namen entwickelt. Zu diesen zählen unter anderem Bilsemkraut, Bilsamkraut oder Bilsem. Durch die berauschende Wirkung der Pflanze hat sie den Namen „Dollkraut“ oder auch „Dolldill“ erhalten. Wie es zur Verbindung mit dem Küchenkraut Dill kommt, ist nicht eindeutig nachgewiesen. Das Wort „Doll“ wurde früher für den „Rausch / Rauschzustand“ verwendet. Eine Abwandlung hiervon ist „Tollkraut“ da die Symptome zum Teil denen der „Tollwut“ ähneln.
  • Der Name „Zigeunerkraut“ soll daraus stammen, dass die Pflanze durch die fahrenden Leute eingesetzt wurde um ihre „Zaubereien“ (für die damaligen Städter waren die „Zigeuner“ unheimlich) durchzuführen. Eine weitere Erklärung könnte die seltene Verbreitung der Pflanze liefern, da diese dem fahrenden Volk ähnlich oft den Standort wechseln kann.
  • Der Name Schlafkraut ist aus der „berauschenden, schlafinduzierenden Wirkung“ der Pflanze abgeleitet. Die Inhaltsstoffe können teilweise einen schlafartigen Zustand herbeiführen.
Namensherkunft der botanischen Namen

Namensherkunft: Der Gattungsname Hyoscyamus lässt sich von zwei griechischen Worten ableiten. Hierbei handelt es sich um ὖς (hys – zu deutsch Schwein) und κύαμος (kyamos – zu deutsch Bohne / Ackerbohne). Hierbei werden verschiedene Theorien zur Herkunft der Namensbestandteile. Diese sind wie folgt:

-> Theorie 1: „Schweinebohne“ – Da die Pflanze von Schweinen zwar gefressen wurde, diese aber daran sterben konnten. Der Namensteil „Bohne“ soll daraus entstanden sein, da die Blätter des Bilsenkraut eine gewisse Ähnlichkeit zu den Blättern der Bohne haben. 

-> Theorie 2: In dem Buch „Die etymologie der phanerogamennomenclatur“ wird als weitere Möglichkeit eine abwertende Bezeichnung als „Sau“-Bohne, da die Pflanze Giftwirkung hat. Eine ähnliche Erklärung kann auch in den Fällen der „Roß-“ / „Hunds-“ Pflanzen geliefert werden. Diese haben oft den Namenszusatz erhalten, da sie mit den „richtigen“, essbaren Kräutern und Pflanzen verwechselt wurden. Es werden daher als „zu nichts zu gebrauchen“ angesehen. 

Der Artname niger lässt sich mit „schwarz“ aus dem lateinischen ins deutsche übersetzen. Hierbei wird auf die schwarz aussehenden Blütenschlunde und „Saftmale“ (dunkel violett gefärbte Adern auf den Blütenblättern) hingewiesen. 

Erstbeschreibung der Pflanze: Die Erstbeschreibung der Pflanze erfolgte unter dem Namen „Hyoscyamus foliis amplexicaulibus“ durch durch den schwedischen Botaniker Carl von Linné (1707-1778) im Jahr 1753.

Namensherkunft des deutschen Namen

Der Name „schwarzes Bilsenkraut“ soll aus dem althochdeutschen Wort „bilsa“ entstanden sein. Es wird zudem für „Bilsa“ eine indogermanische Wortherkunft angenommen. Diese besteht mit „bhel“ – ins hochdeutsche „übersetzt“ mit weißlich. Eine weitere Namensherkunft kann sich aus dem „gallischen“ (eigentlich keltischen) Wort „belenuntia“ – abgeleitet von „Belenus“ einem keltischen Gott der mit dem römischen Gott „Apollo“ gleichgesetzt wurde. Der keltische Gott galt als Sonnengott und wurde mit den Worten „hell oder glänzend“ in Verbindung gebracht. Hier lässt sich eine Verbindung zur Farbe der Blüten herstellen. -> Quelle: ippsch.de – Ob dies tatsächlich eine korrekte Erklärung ist, kann dem Leser überlassen werden.

Namensherkunft des englischen und französischen Namens

Der englische Name „henbane“ sowie französisch „Hennebane / Hanebane“ sind ursprünglich auf die Normannen zurückzuführen. Sie wird im französischen zudem als „Mort aux poules“ bezeichnet. All diese Namen lassen sich mit „Hennentod / Hühnertod“ übersetzen. Da die Samen der Pflanze zum Teil gerne von Hühnern aufgepickt wurden. Sie sind aber wie alle weiteren Pflanzenteile hochgiftig.

Gefährdung der Pflanze

Gefährdung der Pflanze: Schwarzes Bilsenkraut ist auf der Roten Liste Deutschlands bereits als gefährdet eingestuft. Die Pflanze sollte auf keinen Fall abgepflückt oder gesammelt werden (aufgrund der Giftigkeit der Pflanze). Züchtungen für den heimischen Garten können im Gartenfachhandel erworben werden. Es wird aber nicht empfohlen die Pflanze anzubauen! Auch in der Schweiz gilt die Pflanze als gefährdet. Sie gilt dort als vollständig geschützt gemäß der Berner Konvention. Die einzelnen Gefährdungsgrade der deutschen Bundesländer sind wie folgt:

– Baden-Württemberg: stark gefährdet (Status: 2)

– Bayern: gefährdet (Status: 3)

– Berlin: stark gefährdet (Status: 2)

– Brandenburg: Vorwarnstufe (Status: V)

Bremen: stark gefährdet (Status: 2)

– Hamburg: vom Aussterben bedroht (Status: 1)

– Hessen: gefährdet (Status: 3)

– Mecklenburg-Vorpommern: n/a

– Niedersachsen: stark gefährdet (Status: 2)

– Nordrhein-Westfalen: stark gefährdet (Status: 2)

Rheinland-Pfalz: gefährdet (Status: 3)

– Sachsen: gefährdet (Status: 3)

– Sachsen-Anhalt: n/a

– Saarland: stark gefährdet (Status: 2)

– Schleswig-Holstein: vom Aussterben bedroht (Status: 1)

– Thüringen: stark gefährdet (Status: 2)

Verbreitungs-Codes: A, AV, M1, M2, F, K

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