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Hierbei handelt es sich um eine wahre Seltenheit unter den deutschen Orchideen: das „fleischfarbene Knabenkraut“ (Dactylorhiza incarnata ssp. incarnata). Ein Vorkommen der Orchidee ist unter anderem im Eriskircher Ried zu finden.
Fleischfarbenes Knabenkraut auf einer Feuchtwiese – Die oben gezeigten Bilder sind im Eriskircher Ried (einem Naturschutzgebiet am Bodensee) entstanden.
~ schwache Giftpflanze ~
Vorkommen und Verbreitung: Fleischfarbenes Knabenkraut ist als Orchidee auf teilweise sehr spezielle Lebensräume angewiesen. In Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gibt es derzeit noch einige größere Populationen der Pflanze. In den weiteren Bundesländern gilt die Art bereits als selten anzutreffen. Aufgrund der teilweise sehr intensiven landwirtschaftlichen Nutzung ist die Art bereits vielerorts fast vollständig verschwunden. Zu den sehr speziellen Lebensräume zählen unter anderem: Kalkniedermoore, Kalk-Pfeifengraswiesen, Quell- und Durchflutungsmoore sowie Sumpfdotterblumen-Wiesen. Das fleischfarbene Knabenkraut ist auch auf nassen Sumpfwiesen und in Flachmooren anzutreffen. Sie ist dabei auf feuchte / nasse Untergründe angewiesen. Diese können schwach kalkhaltig bis basenreich oder auch seltener schwach sauer sein.
Pflanzenbeschreibung
Wuchsform: Die Pflanze erreicht eine Wuchshöhe von 20 bis zu 60 cm. Sie hat eine aufrechte Form mit einem deutlich dickeren Stängel als bei den meisten Knabenkräutern. Dieser ist im Inneren hohl. Pro Stängel bilden sich vier bis sechs Blätter. Unter der Erde bilden sich mehrteilig-handförmige Wurzeln aus – diese erinnern an Finger.
Blätter: Die Blätter sind lanzettlich aufgebaut und haben eine spitz zulaufende Form an deren Ende. Das oberste Blatt reicht bis in den Blütenstand hinein. Sie haben eine hellgrüne Färbung und sind ungefleckt. Die Blätter umfassen den Stängel deutlich. Oft sind die Blätter am Ende kapuzenförmig eingezogen (manchmal etwas eingeknickt). Sie können eine Länge von bis zu 20 cm erreichen. Zwischen den Blüten bilden sich Tragblätter, welche deutlich länger als die Blüten sind.
Blüten: Die Blütenstände des fleischfarbenen Knabenkrauts erreichen eine Höhe von bis zu 12 cm. Diese bestehen aus bis zu 60 kleinen Blüten. Die Blüten haben eine blass fleisch-rosa bis hell purpurrote Färbung. Wobei die inneren Blütenteile leicht weißlich gefärbt sind. Die Blüten sind zygomorph aufgebaut und bestehen aus drei Lappen und zwei abstehenden Sepalen. Auf der unteren Lippe bildet sich eine deutliche violette Schleifenzeichnung. Diese besteht aus mehrfach verschlungenen Schleifen. Die Blütezeit reicht von Mitte Mai bis Ende Juni.
Leichte Giftpflanze – Hinweise zum Umgang
Giftigkeit der Pflanze: Die oberirdischen Teile der einheimischen Orchideen der Gattung Orchis sind schwach giftig. Sie werden im frischen Zustand von Vieh gemieden.
Inhaltsstoffe der Pflanze: Glykosid (Loroglossin)
Besonderheiten der Pflanze
Knabenkraut-Hybriden: Die Knabenkräuter können sich untereinander kreuzen. Es könnte sich laut den Angaben eines Experten möglicherweise um einen Hybriden zwischen dem „fleischfarbenen Knabenkraut“ und dem „breitblättrigen Knabenkraut“ handeln. Diese Hybride sind sehr häufig anzutreffen und nur sehr schwer zu bestimmen.
Die Wanze, die auf der Pflanze klettert ist ein „Knappe“ (Lygaeus saxatilis / Spilostethus saxatilis) und zählt zu den Bodenwanzen.
Namensherkunft
Namensherkunft: Der botanische Gattungsname „Dactylorhiza“ wurde erst Mitte des 20. Jahrhunderts als Abgrenzung zur Gattung „Orchis“ durch den Botaniker und Arzt Noël Martin Joseph de Necker aufgestellt.
Der ehemalige Gattungsname „Orchis“ stammt von dem griechischen Wort „όρχις“ (orchis) ab. Dies leitet sich aus der Form der Knollen der „Knabenkräuter / Orchideen“ ab. Der griechische Philosph Theophrastos von Eresos hat als erster Naturforscher die Pflanzengruppe der Knabenkräuter wissenschaftlich erwähnt.
Der neue Gattungsname „Dactylorhiza“ leitet sich aus den altgriechischen Worteb „δάκτυλος“ (dactylos) – zu deutsch: „Finger“ – und „ρίζα“ (rhiza) – zu deutsch: „Wurzel“ – ab. Dieser beschreibt den Aufbau der Wurzeln. Diese sind mehrteilig-handförmig aufgebaut. Zur Abgrenzung von den Knabenkräutern der Gattung Orchis wird die Verwendung des Namens „Fingerwurzen“ empfohlen. Diese bildet eine wörtliche Übersetzung des Gattungsnamens.
Der botanische Artname „incarnata“ leitet sich von der Farbe der Blüten ab. Das Wort lässt sich mit „die Fleischgewordene“ ins Deutsche übersetzen.
Gefährdung der Pflanze
Schutzstatus der Pflanze: Das Sammeln der Pflanze ist in der freien Natur verboten! Sie stehen unter besonderem Schutz durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES). Nach dieser gilt die Pflanze auch als streng geschützte Art. Das fleischfarbene Knabenkraut darf somit auf keinen Fall gepflückt oder ausgegraben werden, da es sich bei der reinen Art um eine Seltenheit handelt!
Gefährdung der Pflanze: Fleischfarbenes Knabenkraut steht in Deutschland bereits mit dem „Gefährdungsgrad 2“ auf der Roten Liste. Sie gilt somit als bereits stark bedroht. Die Gefährdungsgrade in den einzelnen Bundesländern sind wie folgt:
– Deutschland: stark gefährdet (Status: 2; rückläufig)
– Baden-Württemberg: gefährdet (Status: 3)
– Bayern: gefährdet (Status: 3)
– Berlin: vom Aussterben bedroht (Status: 1)
– Brandenburg: vom Aussterben bedroht (Status: 1)
– Bremen: vom Aussterben bedroht (Status: 1)
– Hamburg: vom Aussterben bedroht (Status: 1)
– Hessen: stark gefährdet (Status: 2)
– Niedersachsen / Küste: stark gefährdet (Status: 2)
– Niedersachsen / Bergland + Tiefland: vom Aussterben bedroht (Status: 1)
– Nordrhein-Westfalen: stark gefährdet (Status: 2)
– Rheinland-Pfalz: stark gefährdet (Status: 2)
– Saarland: stark gefährdet (Status: 2)
– Sachsen: vom Aussterben bedroht (Status: 1)
– Sachsen-Anhalt: stark gefährdet (Status: 2)
– Schleswig-Holstein: stark gefährdet (Status: 2)
– Thüringen: stark gefährdet (Status: 2)
Verbreitungs-Codes: A, AV, M1, M2