6 Minuten Lesezeit
Die „Giftbeere“ (Nicandra physaloides) ist aufgrund ihrer ähnlichen Fruchtform leicht mit der essbaren „Physalis“ zu verwechseln. Dabei handelt es sich um zwei komplett verschiedene Pflanzen. Im Englischen wird sie nach Ihrer ursprünglichen Heimat in Südamerika als „Apple of Peru“ bezeichnet.
~ Giftpflanze ~
Vorkommen und Verbreitung: Die Giftbeere ist bei uns in Deutschland als Gartenpflanze bekannt. Dabei stammt sie ursprünglich aus Südamerika (Peru, Bolivien, Brasilien). Inzwischen ist sie in Teilen von Nordamerika und ganz Europa verwildert anzutreffen. Sie wächst neben Gärten auch an Wegen, Krautfluren, Säumen, auf Schutt und zum Teil auch am Rand von Gewässern. Die Pflanze kann sich auch sehr schnell auf Ruderalfluren ausbreiten (wie auf den Bildern gezeigt wird). Bereits Ende des 17. Jahrhunderts wurde die Pflanze aus Südamerika nach Europa (Italien) eingeführt. Es erfolgte der Erstnachweis in Deutschland um 1850 in Bremen.
Pflanzenbeschreibung
Wuchsform: Es handelt sich um eine einjährige strauchartige Pflanze. Diese kann eine Wuchshöhe von bis zu 2 Meter erreichen. In wärmeren Regionen in seltenen Fällen auch bis zu 3 Meter. Sie besitzt einen fast vierkantigen Stängel aus dem sich zahlreiche Nebenstängel bilden. Am diesen sitzen die Blätter und Blüten.
Blätter: Die Blätter haben eine Herz- oder Pfeilform. Sie sind 10 cm breit und bis zu 35 cm lang. Dabei besitzen sie einen langen Stiel. Der Rand ist deutlich grob gezähnt.
Blüten: Die Blüten haben eine glockenartige Form. Die Blütenblätter sind hellblau bis leicht violett gefärbt. In der Mitte aber deutlich weiß. Die Blüten können einen Durchmesser von 2 bis 4 cm erreichen. Die Blütezeit reicht von Juni bis in den September.
Frucht: Die Früchte der Pflanze erinnern an die der Andenbeere (Physalis). Sie bestehen aus einem dünnen, ballonartigen Fruchtkelch. Dieser ist zunächst grünlich gefärbt mit schwarzen Punkten im oberen Bereich. Nach dem Reifen der Beere verfärbt sich der Fruchtkelch zu einem hellbraun Farbton. Die einzelnen Samen im Inneren der Früchte haben eine hellbraune Farbe. Nach dem die Samen vollständig ausgereift sind, platzen die Fruchtkörper auf und geben die Samen frei.
Giftpflanze – Hinweise zum Umgang
Giftigkeit der Pflanze: Es handelt sich bei der Giftbeere um ein Nachtschattengewächs. Keine Pflanzenteile dürfen für die menschliche Ernährung verwendet werden! Die Pflanze gilt in allen Teilen als giftig. Vor allem in den Wurzeln sammeln sich größere Mengen von Hygrin (Pyrrolidin-Alkaloid) sowie Nicandrenon (Withanolid) an. In der heutigen Schulmedizin findet die Pflanze aufgrund ihrer Giftigkeit keine Anwendung.
Inhaltsstoffe: Hygrin (Pyrrolidin-Alkaloid) – ein Vorprodukt von Tropan-Alkaloiden, Nicandrenon (eines der Steroidlactone).
Wirkungsmechanismen der Giftstoffe: Die genauen Wirkungsmechanismen bei einer Vergiftung können in der Clinitox-Datenbank nachgelesen werden.
Zum Teil hat Dr. rer. nat. W. Meier-Augenstein, FRSC die Wirkungsweise wie folgt erläutert: Hygrin ist ein Tropan-Alkaloid, das in der Wirkung Hyoscyamin (und dessen Racemat Atropin) ähnelt aber weniger toxisch ist. Nicandrenon (ein Withanolid) ist pharmakologisch wirksam (zytotoxisch – Zellen und Gewebe schädigend), wird aber als nicht bzw. kaum akut toxisch eingestuft. [Dies bedeutet dennoch, dass die Stoffe giftig sind!]. Tiervergiftungen, die durch Nicandra verursacht sein sollen, konnten der Pflanze nicht eindeutig zugeordnet werden. Vergiftungen von Menschen durch Withanolide sind nicht bekannt. Auch nach Verzehr von bis zu 30 Beeren traten keine Vergiftungserscheinungen auf – was andere, nicht akut toxischen Effekte dennoch nicht ausschließt.
Es ist somit dringend davon abzuraten, die Beeren oder sonstige Pflanzenteile zu verzehren!
Vergiftung mit Giftbeeren
Anzeichen für eine Vergiftung: Bei Einnahme der Pflanzenteile kann es zu ähnlichen Vergiftungserscheinungen wie bei der Schwarzen Tollkirsche oder dem Bilsenkraut kommen -> Mehr zur Atropinvergiftung. Bei Vergiftung mit der Pflanze sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden und ggf. der Giftnotruf informiert werden.
Symptome einer Vergiftung bei Menschen: Die Symptome werden ähnlich einer Hyoscyaminvergiftung beschrieben, jedoch in schwächerer Form. Zu den Hauptsymptomen zählen Erregung, heftiger Dust, Schock und bei schweren Vergiftungen Atemlähmung. Eine LD50 ist nicht bekannt.
Symptome einer Vergiftung bei Tieren: Es sind Vergiftungen bei Rindern bekannt. Gemäß Berichten sind Depression, Kreisbewegungen, Temor, Tachykardie, Krämpfe, Koma und schließlich auch der Tod möglich. Es ist nur eine Dekontamination und symptomatische Therapie möglich.
Namensherkunft
Namensherkunft: Der botanische Gattungsname „Nicandra“ verweist auf ‚Nicander von Colophon’. Dieser war ein wichtiger griechischer Arzt des vorchristlichen Zeitalters. Da er sehr viel über Giftpflanzen und deren Gegengifte zusammentrug wurde die Pflanze zu seinen Ehren nach ihm benannt. Die Giftbeere kannte er aber vermutlich nicht. Diese wurde erst Ende des 17. Jahrhunderts nach Europa eingeführt.
Der botanische Artname „physaloides“ leitet sich aus dem lateinischen ab. Er deutet auf die ballonartigen Fruchtkelchen der Pflanze hin. Diese sind den Blasenkirschen (Gattung Physalis) sehr ähnlich.
Der deutsche Name „Giftbeere“ deutet auf die Giftigkeit der Pflanze hin. Sie wird in den Literaturquellen ebenfalls als „giftig“ angegeben. Woraus sich dieser Name entwickelt haben könnte. Eine abschließende Klärung ist aber nicht möglich.
Der Englische Name „Apple of Peru“ weist auf ihre Herkunft hin. Daneben gibt es noch einen weiteren Namen „Shoo-fly plant“. Was sich als Fliegenscheuche übersetzen lässt. Dabei wird auf die Eigenschaft hingewiesen, dass sie angeblich weiße Fliegen verscheucht.
Verbreitungs-Codes: A, AV, M1, M2, F, K (synthetisch)